Bildungspolitik auf dem Rücken der SchülerInnen und LehrerInnen im Land?

Die Spatzen pfeifen es inzwischen von allen Dächern: Die Bildungspolitik in Deutschland und besonders auch in unserem Bundesland ist dringend reformbedürftig!

Versäumnisse über inzwischen mindestens 10 Jahre haben zu einer Situation im Bildungsbereich geführt, die kaum noch zu steuern ist. Notversorgung! An vielen Stellen.

Ob es besser wird, wenn sich der Ministerpräsident der Problematik nun seit Mitte Januar 2023 als „Chefsache“ annimmt bleibt abzuwarten. Die Erfahrungen mit der Wirkung als Chefsache sind sehr unterschiedlich!

Was ist passiert? Oder besser: Was wurde versäumt? (kein vollzählige Auflistung angestrebt)

 

  1. LehrerInnenbedarf

Es war bereits etwa 2015 und früher bekannt, dass in den Jahren ab 2020 viele LehrerInnen insbesondere der allgemeinbildenden Schulen die Altersgrenze bzw. auch ihre Leistungsgrenze erreichen und zum Ende der Arbeitsjahre ihre Tätigkeit anteilig reduzieren müssen. Auch bekannt war und ist, dass Lehrtätigkeit in erheblichem Umfang von Frauen erbracht wird. Damit verbunden ist die Tatsache, dass junge Lehrerinnen innerhalb der ersten Jahre an den Schulen oft auch mit der Familienplanung befasst sind und insoweit nicht uneingeschränkt in der Schule tätig sein können. Allerdings wurden die Rufe von Lehrerverbänden, Gewerkschaften (seit Jahren) u.a. nicht gehört …

Die Einstellungen wurden zwecks Kostenersparnis weiter stur am aktuellen Bedarf ausgerichtet. Mit der Folge, dass der absehbar erheblich steigende Bedarf plötzlich das Angebot an Lehramtsabsolventen stark übertraf! Zugleich wurde aber auch an den Universitäten des Landes in Halle (Saale) und Magdeburg nicht auf die sich anbahnende Situation mit klaren Vorgaben reagiert.

Ergebnis: Heute gibt es viel zu wenig LehrerInnen, die in den Schuldienst übernommen werden können. Dazu kommt noch das Konkurrenzverhalten der Nachbarbundesländer, die gern auch nach Sachsen-Anhalt schauen, um ihren Lehrerbedarf zu decken. Soweit machbar, gern auch mit besserer Bezahlung.

Die bisherigen Lösungen wie auch die jüngsten Ideen („Chefsache“) basieren auf den immer gleichen Überlegungen: Quereinsteiger, ausländische Lehrkräfte, verordnete Mehrarbeit für die z.T. schon an der Altersgrenze befindliche Lehrerschaft, Verbot von Teilzeitarbeit unter 50%. Solche Maßnahme lassen völlig außer Acht, dass durch die Mehranforderungen während der Corona-Pandemie viele Leistungsträger Mehrarbeit einfach nicht mehr bewältigen können. Zurecht gibt es massive Proteste aus der Lehrerschaft.

Was noch gar nicht angedacht wurde:

Die LehrerInnen sind wesentliche Teile ihrer Arbeitstage mit Verwaltungsaufgaben u.ä. (Konferenzen, Pausenaufsichten, Gespräche mit SchulpsychologInnen, Buchausleihe, Technikbereitstellung, Materialbestellungen, Elterngespräche usw.) befasst. Diese Aufgaben stehen auf keinem „Stundenzettel“, sind aber für die pädagogische Arbeit und auch aus rechtlichen Gründen zwingend und in hoher Qualität zu erbringen. Für einige dieser Aufgaben wäre es problemlos möglich, Menschen mit anderen Qualifikationen einzusetzen, die diese Aufgaben erledigen können, möglichst sogar mit spezifischer Ausbildung dafür.

Beispiele, die tatsächlich Entlastung bringen wären: Zentrale Pausenkontrolle und Verwaltung der Schülerschaft (Anwesenheit per Datenbank), der Schulräume, Vorbereitung von Verwaltungsaktivitäten (Konferenzen, Nachteilsausgleich u.v.m.). Das würde zumindest helfen, gegenwärtig bestehenden Überlastungen zu begrenzen. (Gerade in diesem Bereich wurden viele Stundenanrechnungen aus früheren Regelungen schon in den letzten Jahren gestrichen. Insoweit ist ein Vergleich der Wochenstundenzahl mit anderen Bundesländern nicht mehr seriös möglich!)

Einen ersten positiven Schritt in dieser Richtung gab es inzwischen zumindest bei der Administration und Beschaffung der massiv erweiterten Computer- und sonstigen Datentechnik. Hier gelingt inzwischen sogar eine schulübergreifender Einsatz, gesteuert über die Schulverwaltungsämter der Kreise/kreisfreien Städte.

Neuerdings hört man sogar davon, die Aufsichtspflichten aus dem Paket der LehrerInnenpflichten über Aufgabenverlagerungen auszugliedern.  – Wir werden sehen, wann das möglich wird.

 

  1. Zeitgemäßer und moderner Unterricht entsteht nicht allein mit dem Einsatz von Laptop und Whiteboard!

Viele LehrerInnen bringen neue Ideen in den Unterricht ein. Allerdings mangelt es oft an ausreichender Unterstützung bei der Bereitstellung von modernen Lernmaterialien oder Software, die es den LehrerInnen erlauben, tatsächlich mit vertretbarem Aufwand den SchülerInnen Aufgaben im jeweiligen Anforderungsbereich bereitzustellen, die das konkrete Lernniveau (das oft sehr breit verteilt ist) berücksichtigen. Schließlich bleibt es ein wichtiges Ziel, dass die Lernenden viele Tätigkeiten selbständig ausführen und so schrittweise an Selbstlernfähigkeiten herangeführt werden.

Dadurch könnte ein viel individueller aufgebauter Unterricht erteilt werden, wobei insbesondere auch die technischen Entwicklungen und Möglichkeiten genutzt werden können. Binnendifferenzierung wird zwar immer wieder gewünscht, ist aber unter Ressourcenmangel nicht machbar!

Auch die Schulbuchverlage sollten ihre Kraft nicht so sehr in die Gestaltung von Lehrbüchern und Materialien für jedes einzelne Bundesland stecken. Da gäbe es viele andere Betätigungsfelder!

Dies setzte aber voraus, dass in der Bundesrepublik Lehrplaninhalte, -schwerpunkte und Prüfungsinhalte (!) für alle Länder vereinheitlicht werden. Übrigens nur ein Problem der irren Föderalismuspraxis der 17 damit befassten Ministerien, verschärft noch seit 2007!

 

  1. Die SchülerInnen müssen ins Zentrum der Aufmerksamkeit!

Inzwischen gibt es viele Schulen, die sehr kreativ herangehen, um die SchülerInnen dort abzuholen, wo sie leistungsmäßig stehen. Auch der Praxisbezug wird immer wieder hergestellt. Leider werden solche Entwicklungen nicht gefördert, wenn man nach der bisherigen Methode die Lehrkräfte permanent bis über die Leistungsgrenze fordert. Dann bleibt kaum Zeit, sich mit dem Kern der Lehrtätigkeit, der Schaffung einer gesunden, kreativitätsfördernden und motivierenden Lernatmosphäre zu befassen.

Schließlich bieten die heute vorhandenen Rahmenbedingungen so viele Möglichkeitsräume für verschiedenste Interessen und Fähigkeiten der jungen Menschen. Wichtig bleibt immer die Motivation für konkrete Ziele. Die Überwindung von Hemmnissen. Anleiten, Motivieren und Unterstützen – das wären die wichtigsten Tätigkeiten für die Lehrenden! Zunehmend in einem neuen Selbstverständnis als Lern-Coach der SchülerInnen. …

Und natürlich müssen die Mittel dafür bereitstehen. Es ist kaum auszuhalten, dass wir in Deutschland gerade an unseren jungen Menschen sparen!

 

Fazit:

Übrigens wäre das dann auch ein guter Beitrag, um staatliche Schulen wieder attraktiver zu machen. Derzeit werden sie zu oft noch als Problemfälle oder Aufbewahrungsorte wahrgenommen.

Gerade unseren Sekundarschulen wäre mehr Wertschätzung der Bildungspolitik zu wünschen!

Dann brauchte es auch nicht die Idee vom Zwang mittels Schullaufbahnempfehlung, wie gerade von ministeriumsnahen Politikern empfohlen.

Soweit es notwendig ist, bestimmte Fähigkeitsanforderungen für spezialisierte Schulen abzusichern, sollte man auf das etablierte Verfahren der Eignungstests zurückgreifen! Das motiviert einerseits, das Ziel auch zu erreichen, und stellt zugleich klar, das möglicherweise noch nicht der nötige persönliche Stand erreicht ist.

Jürgen Grobe