Anfrage der Fraktion DIE LINKE / Grüne im Kreistag MSH

Thema:           Kosten der Unterkunft und „schlüssiges Konzept“ im Bereich SGB II, SGB XII, AsylbLG

Datum:            30.01.2025

Im Rahmen der Sitzung des Sozial- und Gesundheitsausschusses des Landkreises Mansfeld-Südharz am 02.12.2024 wurden die Mitglieder durch die Informationsvorlage darüber in Kenntnis gesetzt, dass die Mietobergrenzen (Angemessenheitsgrenzen) für die Kosten der Unterkunft im Rechtsgreis SGB II, SGB XII und AsylbLG im Rahmen eines „schlüssigen Konzeptes“ neu ermittelt wurden. Das Konzept wurde durch die beauftragte Firma Koopmann Analytics im Rahmen der Ausschusssitzung vorgestellt. Trotz der aufgeworfenen Fragen und großen Bedenken wurden die Ergebnisse des Konzeptes vor dem Hintergrund der Konsolidierung des Kreises mit der „I. Teilrichtlinie Kosten für Unterkunft und Heizung“ ab dem 01.01.2025 zur Anwendung gebracht. Bereits mit Veröffentlichung der MZ vom 22.12.2024 wurde auf die Gefahr von Obdachlosigkeit und des Wegzuges hingewiesen, was in Anbetracht der Herabsetzung der Angemessenheitsgrenzen von durchschnittlich 200 € je Wohnungsgrößenklasse unvermeidbar sein wird, da der Wohnungsmarkt im Landkreis bei weitem nicht grenzenlos ist. Fraglich ist weiterhin, inwieweit soziale Härten aufgrund des umfangreichen Prüfaufwandes und damit verbundenen Außendiensten für die Berechnung der betroffenen Leistungen Berücksichtigung finden können bzw. welcher Mehraufwand sich umgekehrt bei den Prüfenden Stellen ergeben wird. Diese Mehrkosten, wie auch Kosten für dann ggf. anfallende Umzüge und ggf. Neuausstattung von Wohnungen sind mit der Umsetzung des vorliegenden Konzeptes nicht berücksichtigt. Auch die benannten verbundenen sozialen Härten finden keine oder nur wenig Berücksichtigung. Zudem bestehen mit der Kenntnis über bereits gerichtlich gescheiterte „schlüssige Konzepte“ Zweifel an der tatsächlichen Schlüssigkeit des vorliegenden Konzeptes der Firma Koopmann Analytics, sodass sich nachfolgend tiefergehende und nicht geklärte Fragen ergeben.

  1. Nach Einleitung des „schlüssigen Konzeptes“ der Firma Koopmann Analytics ist aufgrund Entscheidung des Bundessozialgerichtes ausschließlich ein solches Konzept als Grundlage für die Festlegung der Angemessenheitsgrenzen zulässig.

Frage: Wird diese Rechtsauffassung auch durch die Kreisverwaltung ebenfalls so getragen?

 

  1. Das o.g. Konzept teilt den Vergleichsraum (Landkreis MSH) in 2 Vergleichsräume auf. Hierbei wird nach Lesart des Konzepte lediglich auf die für zumutbaren Umzüge innerhalb der Sozialräume nach Einteilung der Altkreise eingegangen. 

Fragen:

  1. Wurde dies in Abstimmung mit dem Landkreis vorgenommen? Wenn ja, wurde bei der Einteilung der Sozialräume auf das mögliche Mietgefälle zwischen den Städten und den jeweiligen Umlandgemeinden innerhalb der Vergleichsräume geachtet und diese ausreichend gewürdigt?
  2. Welchen Hintergrund hat die Berücksichtigung der Vergleichsräume nach den „Sozialräumen“ Altkreise?
  3. Welche Daten wurden erhoben, um das Mietgefälle zwischen Städten und Umlandgemeinden darzustellen und wie hoch ist der ermittelte Unterschied zwischen den Städten und den Umlandgemeinden?

 

  1. Zur Ermittlung der Angemessenheitsgrenzen wurden lt. des Konzeptes Bestandsmieten und Angebotsmieten herangezogen (entsprechend Rechtsprechung des BSG). Ausgehend der Zensus-Zahlen von 2022 gibt es im Landkreis 30.509 vermietete Wohnungen. Die Anzahl der erhobenen Bestandsmieten umfasst lt. dem Konzept im gesamten Landkreis lediglich 6.670, was 21,86% ergibt. Die Verteilung auf die Vergleichsräume ist hierbei nochmals sehr unterschiedlich – während im Altkreisbereich Sangerhausen (VR 1) 29,9% Daten der Bestandsmieten erhoben wurden, sind es im Altkreisbereich ML (VR 2) lediglich 16,34%. Nach Abzug der Wohnungen im Bereich der Bestandsmieten mit „Extremkappung“ verbleiben lediglich 28,28% im VR 1 und 15,66% im VR 2 (im gesamten Landkreis 20,79%).

Frage:  Sind diese geringen Anteile der erhobenen Bestandsmieten bzw. die ungleichmäßige Verteilung der erhobenen Daten rechtlich dauerhaft belastbar und im Einklang mit aktueller Rechtsprechung und auf welche rechtliche Grundlage wird sich hierbei gestützt (Angabe Rechtsgrundlage und ggf. AZ der geltenden Rechtsprechung)?

 

  1. der Extremwertkappung wird im Konzept folgendes beschrieben: „Im Rahmen der Plausibilitätsprüfungen wurden Werte entfernt, die sich nicht erklären lassen. Oftmals handelt es sich dabei um Falscheinträge durch die befragten Vermieter.“. Das Konzept sagt jedoch nicht aus, ob zur Klärung der Plausibilität eine erneute Kontaktaufnahme mit dem jeweiligen Vermieter erfolgt ist bzw. wie mit diesen Werten abschließend umgegangen wurde.

Frage: Welche Anzahl an angenommenen Falschangaben wurden ohne erneute Kontaktaufnahme mit dem Vermieter entfernt?

 

  1. Die Werte der Angebotsmieten wurden lt. Konzept durch Immobilienscout, Immonet, Immowelt, örtliche Tagespresse/Anzeigenblätter und (ebay) Kleinanzeigen erhoben.

Fragen:

  1. Aus welchem Grund erfolgte keine Erhebung bei den namentlich bekannten Vermietern?
  2. Wie wurde sichergestellt, dass keine Mehrfacherfassung von Angebotsmieten erfolgte, wenn hierbei lediglich die Adressen der Wohnobjekte abgeglichen wurden sind? Vor allem bei Angebotsmieten in Mehrfamilienhäusern (Wohnblöcken) kann bei der Erhebung in den genannten Onlineportalen eine Mehrfachnennung nach unserer Auffassung nicht ausgeschlossen werden.
  3. Wie ist die Verteilung der Angebotsmieten zwischen „großen“ Vermietern (gewerblichen Anbietern) und „kleinen“ privaten Vermietern, welche lediglich wenige Einheiten auf dem Markt anbieten?
  4. Wie konnte durch die alleinige Erhebung von Angebotsmieten anhand der genannten Onlineportale sichergestellt werden, dass die bei Bestandsmiete angewandten Filterkriterien nicht verletzt werden?

 

  1. Bezogen auf die „großen“ Vermieter wurden bei Bestandsmieten nach Angaben des Konzepts alle gewerblichen Anbieter angefragt und es liegen jedoch lediglich Rückmeldung von 2 (!) Vermietern vor. Sind tatsächlich alle „großen“ Vermieter angeschrieben worden (Anmerkung: Nach erster Sichtung sind im Landkreis mindestens 16 gewerbliche Vermieter mit einem großen Wohnungsbestand aktiv, wobei sich weitere noch in Klärung befinden und von bis zu mindestens 29 „großen“ Vermietern auszugehen ist)? Es wird hierbei um die Mitteilung der angeschriebenen „großen“ Vermieter erbeten.

Fragen:

    1. Wenn lt. Konzept mehr „große“ Vermieter angeschrieben worden und lediglich von zwei Vermietern Rückmeldungen erfolgt sind: Aus welchem Grund erfolgt keine weitere Erinnerung der ausstehenden Anfragen (auch wenn bekannt ist, dass diese Befragung freiwillig ist)?
    2. Sind dem Landkreis mögliche rechtliche Folgen auf die Bestandskraft des „schlüssigen Konzeptes“ und somit der aktualisierten Teilrichtlinie I KdU aufgrund der großen Anzahl ausbleibende Rückmeldungen der „großen“ Vermieter bewusst und bei möglichen Rechtsstreitigkeiten bereits kostendeckend einkalkuliert?
    3. Welche „großen“ Vermieter wurden angeschrieben und welche haben tatsächlich auf die freiwillige Erhebung reagiert? Eine abschließende Auflistung wird erbeten.

 

 

  1. Das Konzept beschreibt, dass lt. BSG eine Berücksichtigung der Wohnlage notwendig ist und somit Wohnungen in „sehr einfacher, stark belasteter Wohnlage“ nicht in der Erhebung berücksichtigt wurde. Das Konzept selbst definiert diese Beschreibung als subjektiv und gibt hierbei keine nähere Beschreibung vor. Auch die Informationen zur Mieterbefragung geben keinerlei Definition hierzu wieder.

Fragen:

      1. Aus welchem Grund ist dies („sehr einfacher, stark belastete Wohnlage“) nicht näher definiert?
      2. Wie wurde eine individuelle Auslegung der Vermieter vermieden (Anmerkung: „sehr einfache“ Wohnlage ist bezogen auf die Filterkriterien abgrenzbar, während „stark belastete“ Wohnlage durchaus unterschiedlich bewertet werden kann)?

 

  1. Zur Festlegung der Angemessenheitsgrenze sind die erhobenen und berücksichtigungsfähigen Bestands- und Angebotsmieten einzubeziehen. Nach Lesart des Konzeptes wurden zur Bildung der Angemessenheitsgrenze lediglich 40% der günstigsten Mieten aus beiden Bereichen herangezogen.

Fragen:

      1. Wenn diese Information korrekt ist, ist dann eine solche Verzerrung des Mietpreisdurchschnittes mit der Begrenzung auf 40% der untersten Mieten rechtlich haltbar? (Anmerkung: Allein ein Vergleich mit der Großstadt München mit der Berücksichtigung von 20% der günstigsten Mieten und die bei uns nun berücksichtigten 40% der günstigsten Mieten ist für und aufgrund unterschiedlicher Einkommens- und Mietverhältnisse nicht tragbar)
      2. Aus welchem Grund wurden keine Filterkriterien für einen „gehobenen“ Wohnungsstandard angesetzt, um Mieten aus nicht „einfachen“ Wohnungen bei der Festlegung der Angemessenheitsgrenze auszuschließen und somit einen realistischen Durchschnitt zu bilden?

 

    1. Mit dem Konzept wurden trotz unterschiedlicher Anbieter und Vergleichsräume für den gesamten Landkreis die gleichen kalten Betriebskosten zu Grunde gelegt (unter Berücksichtigung der bekannten Werte, welche durch Auswertung des Jobcenters vorliegen).

Fragen:

      1. Ist dieses Vorgehen bei verschiedenen Vergleichsräumen und unterschiedlichen Anbietern rechtlich tragbar (Anmerkung: Vor allem bezogen auf fehlende Anbieterwahl der Mieter bei Wasser, Abwasser, Versicherung etc.)?
      2. Wie wird sichergestellt, dass alle Faktoren der Richtlinie bzgl. der Angemessenheit von Heizkosten (vor allem die Witterung und gesundheitlichen Zustand der Leistungsberechtigten oder besondere Bedürfnisse) einbezogen werden (Anmerkung: Lt. Konzept waren die Daten zu diesen Bestands- und auch Angebotsmieten nicht mitzuteilen bzw. wurden aufgrund der Filterkriterien nicht berücksichtigt, um die Angemessenheitsgrenzen zu bestimmen)? Welche Nachweise sind hierfür zu erbringen?
      3. Wurden auch bekannte Daten des Sozialamtes aufgrund der Auszahlung der Grundsicherung im Alter und auch Unterkünfte der Asylbewerber berücksichtigt, da gerade diese Daten dem Landkreis direkt vorliegen?
      4. Aus welchem Grund erfolgte keine Daten zu Direktzahlern erhoben (Anmerkung: Hier liegen mitunter höhere Kosten, aufgrund der individuellen Situation und Gebührenordnungen vor)?

 

    1. In „Teilrichtlinie I der Richtlinie Kosten der Unterkunft und Heizung“ wird unter „V. Angemessenheit der Unterkunftskosten“ darauf hingewiesen, dass keine Gesamtangemessenheitsgrenze zu bilden ist, diese nach der „Teilrichtlinie III unangemessene Kosten für Unterkunft und Heizung/Kostensenkungsverfahren“ NUR im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung erfolgt. Nach §22 (10) SGB II ist jedoch die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze jedoch möglich.

Frage: Ist bzw. sind die Teilrichtlinie(n) des Landkreises in diesem Punkt somit ggf. rechtswidrig? Falls nein, bitte begründen.

 

      1. Weitere Fragen:
      1. Wie viele Bedarfsgemeinschaften überschreiten durch die abgesenkten Angemessenheitsgrenzen ab dem 01.01.2025? Wie viele Personen sind davon betroffen?
      2. Wie viele Personen im Bezug Grundsicherung im Alter sind betroffen?
      3. Wie viele Personen im Bezug von „Sozialhilfe“ vor Erreichen des Rentenalters sind betroffen, welche aufgrund Minderung der Erwerbsfähigkeit nicht im Bezug SGB II sind?
      4. Wie viele Personen sind im Bezug nach Asylbewerberleistungsgesetz betroffen?
      5. Welche Übergangsregelungen gibt es für Bedarfsgemeinschaften, welche durch die Absenkung der Angemessenheitsgrenzen nun eine Wohnung bewohnen der die Richtwerte übersteigt (außerhalb des geregelten Bestandsschutzes)?
      6. Wie viele Bedarfsgemeinschaften überschreiten die neuen Richtwerte, sind aber im Einzelfall anzuerkennen und zu übernehmen? Wie viele Personen sind davon betroffen?
      7. Mit welchen tatsächlichen Einsparungen rechnet der Landkreis aufgrund der Absenkung der Angemessenheitsgrenzen? Ab wann trifft dies aufgrund der Bestandsschutzregelungen und möglichen Übergangsregelungen ein?
      8. Hat der Landkreis voraussichtlich notwendige Umzugskosten/Anschaffungskosten für Wohnungsausstattungen haushalterisch geplant? Wenn nein, aus welchem Grund nicht?
      9. In welcher Höhe wurden ggf. notwendige Kosten aus Frage h. bereits haushalterisch berücksichtigt?

 

Wir erwarten die Antwort der Kreisverwaltung in der vorliegenden Struktur und entsprechend dem zeitlichen Rahmen der geltenden Geschäftsordnung des Kreistages.

 

Mit freundlichen Grüßen

Kathrin Gantz

Fraktionsvorsitzende Die Linke / Bündnis 90/Die Grünen